Glyphosat und das Fremdwort Datenschutz

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Die hoch kontroverse Debatte um den von Monsanto entwickelten und vertriebenen Stoff Glyphosat hat mittlerweile auch eine datenschutzrechtliche Sphäre erhalten: Die Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt seit Mai 2019, weil das seit 2018 zur Bayer AG gehörende Agrarunternehmen PR-Agenturen mit fragwürdigen Aufträgen befasste.

Hintergrund der Ermittlungen ist die umstrittene Beurteilung des in der Schädlingsbekämpfung eingesetzten Stoffes Glyphosat. In den vergangenen Jahren häuften sich wissenschaftliche Studien, die eine gesundheitsschädliche Eigenschaft des Stoffes nicht ausschließen konnten sowie gegenteilige Studien, die im Ergebnis zu einer Unbedenklichkeit kamen. Als 2017 die erneute Zulassung des Stoffes durch die EU-Kommission die politische Landschaft beschäftigte, wurde eine intensive Diskussion um die Substanz angefeuert. Dabei steht ebenfalls die Kritik im Raum, Monsanto habe mit Bestechungen und anderen Mitteln auf die Befürworter des Stoffes eingewirkt und Studien zu seinem Vorteil manipuliert. In den USA gelang es Klägern, einen Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Schäden und der Verwendung des unter dem Namen „Roundup“ vertriebenen Pestizids nachzuweisen. So wurde das Unternehmen zur Zahlung von Schadenssummen in Höhe von bis zu 2 Milliarden USD verurteilt, wobei noch offensteht, in welchem Umfang Rechtsmittel eine Minderung bewirken werden. Tausende Klagen stehen indes noch aus.

Im Rahmen der ebenso hitzigen wie komplexen Diskussion um den Stoff sprachen sich entsetzte Bürgerinnen und Bürger, Journalistinnen und Journalisten, Aktivistinnen und Aktivisten wie auch Politikerinnen und Politiker gegen den weiteren Einsatz von Glyphosat zur Schädlingsbekämpfung aus. Damit erreichen wir auch schon den datenschutzrechtlichen Knackpunkt: Monsanto beauftragte zwei führende PR-Agenturen damit, in sieben EU-Staaten Profile über prominente Teilnehmer der Diskussion anzulegen. Diese sollten dann ihrem Standpunkt entsprechend in „Verbündete“, „Gegner“ und noch zwischen den Stühlen stehende unterteilt sowie ihre Beeinflussbarkeit mit Noten von 0 bis 5 bewertet werden. Die Profile wurden mit allem gefüllt, was in sozialen Netzwerken, Reden, Demonstrationen und weiteren Quellen zu finden war – ganz gleich, ob es um die Meinung zu Glyphosat oder Hobbies und andere private Informationen ging. So sollte es leichter werden, Freunde zu fördern, Gegner zu „isolieren“ und die Unentschlossenen durch geschickte Manipulation auf die eigene Seite zu ziehen. Isoliert werden sollten u.a. die damalige Umweltministerin Frankreichs, Ségolène Royal, ihres Zeichens demokratisch legitimierte Amtsträgerin, wie auch Wissenschaftler und Journalisten, deren unabhängige Forschung bzw. Berichterstattung in der gesamten EU Grundrechtsschutz genießt.

Die Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen des Straftatbestandes der widerrechtlichen, betrügerischen Sammlung persönlicher Daten sowie wegen rechtswidriger Übertragung von Daten. Datenschutzrechtliche Probleme ergeben sich im Lichte der DSGVO allemal: Zunächst stellt sich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Datensammlung. Wo personenbezogene Daten gesammelt werden, liegt eine Datenverarbeitung vor, für deren Zulässigkeit die DSGVO strenge Vorgaben stellt. In Betracht käme z.B. ein berechtigtes Interesse des Unternehmens, seine Öffentlichkeitsarbeit zu optimieren. Allerdings fordert die DSGVO zudem u.a. eine Durchführung nach Treu und Glauben sowie zugunsten eines legitimen Zwecks. Angesichts verwendeter Begrifflichkeiten wie etwa „Feind“, „isolieren“, „Stakeholder, muss erzogen werden“, „zu überwachen“ ist eine rein sachliche Optimierung der Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens scheinbar einer Kampagne gewichen, die den Datenschutz und zu einem gewissen Teil die Würde der betroffenen Personen völlig außer Acht gelassen hat. Des Weiteren wurden die betroffenen Personen nicht über die Verarbeitung ihrer Daten informiert und als das Vorgehen dann bekannt wurde, soll der Konzern die Löschung der jeweiligen Profile verweigert haben.

Die Bayer AG reagierte auf diese Berichte zurückhaltend. Man verstehe die Aufregung und wolle kritischen Meinungen keineswegs auf diese Art begegnen. Weiterhin wurde auch zugesagt, die Ermittlungen unterstützen zu wollen.

Näheres zur rechtlichen Einordnung werden natürlich Gerichte zu entscheiden haben, sofern das Verfahren dieses Stadium erreicht. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass die Diskussion um Glyphosat ein komplexer Sachverhalt ist, zu dem es aus der Wissenschaft keine eindeutigen Antworten gibt. Die Die vorgenommenen Kategorisierungen erinnern jedenfalls an staatliche Handlungsweisen aus vergangenen Zeiten und stellen nach den aktuellen Informationen einen groben Verstoß gegen den europäischen Datenschutz dar.